Redeangst und die Angst vor der Angst

Beinahe jeder kennt das unangenehme Gefühl, das einen beschleicht, wenn man vor Publikum sprechen soll. Manche Menschen sind dann so nervös, dass sie zu zittern beginnen, die Stimme bricht oder ein Blackout droht. Wer das einmal erlebt hat, läuft Gefahr, Angst vor der Angst zu entwickeln. Denn das ist ganz normal: waren wir einmal in einer für uns unangenehmen Situation, trachten wir danach, sie zukünftig zu vermeiden. Da hilft es auch nicht, wenn man seine Sache trotz der Angst und Nervosität eigentlich gut gemacht hat. Was zählt – und was bleibt – ist die Erinnerung an die negativen Gefühle. Auch bei Prüfungen kann eine ähnliche „vorausahnende“ Angst entstehen, die den Betroffenen schon beim bloßen Gedanken an eine Prüfungssituation die Schweißperlen auf die Stirn treibt.

Sensibilisierung – der Anfang eines Teufelskreises

Sobald es soweit ist, dass man seine Gefühle in einer solchen Situation als Angst versteht, wird man auch sensibler auf die ersten Anzeichen. Man sucht dann regelrecht nach dem Zittern in der Stimme oder dem hitzigen Gefühl des Rotwerdens. Das ist auch verständlich – denn man will ja vermeiden, sich zu blamieren oder zu versagen. Doch durch dieses intensive „Nachspüren“ wird alles nur noch schlimmer. Vor einem wichtigen Auftritt, einer geschäftlichen Rede oder einem Vorstellungsgespräch ist es ganz normal, ein wenig nervös und aufgeregt zu sein. Es ist eine gesunde Stressreaktion. Versucht man aber, diese Regungen zu unterdrücken, wird man bemerken, dass das nicht geht. Durch diesen Mangel an Kontrolle über sich selbst entsteht Angst – die Angst davor, Angst zu haben. Wir bewerten das, was eine normale Reaktion auf Stress ist, ganz falsch. Das ist ein Teufelskreis, denn so verstärken sich diese Symptome automatisch.

Die Angst ist tief verankert

Bei den meisten Menschen hat sich dieses Bewertungsmuster schon in der Kindheit herausgebildet. Ob beim Referat in der Schule oder in einer anderen Situation – wer einmal in einer Situation große Angst verspürt hat, lernt daraus, dass er diese Angst auch beim nächsten Mal haben wird. Das ist eine negative Erwartungshaltung, die sich dann auch selbst erfüllt. Wir wissen durch Untersuchungen, dass die körperlichen Reaktionen von Menschen mit Sprechangst sich nicht von Menschen ohne Sprechangst unterscheiden. Lediglich die Bewertung dieser Symptome ist unterschiedlich – die einen sehen darin die ersten Anzeichen von Angst und Panik, während die anderen ihre körperlichen Regungen als schlichte und ganz normale Anspannung interpretieren. Menschen mit Sprechangst erinnern sich dann häufig an Versagenssituationen, die vor ihren inneren Augen ablaufen. Sie stellen sich alle möglichen Szenarien vor, in denen sie sich lächerlich machen und vor denen sie Angst haben – und schon ist der Teufelskreis aktiviert. Man hat Angst vor der Angst und schon zeigen sich die ersten echten Angst-Reaktionen, die man eigentlich vermeiden wollte. Der Körper reagiert also richtig auf das eigentlich falsche Gefühl der Bedrohung.

Aus dem Teufelskreis ausbrechen

Um Sprechangst zu überwinden, muss also zuerst an der Neu-Bewertung der normalen Stresssymptome gearbeitet werden. Das kann – wie jeder andere Lernprozess – seine Zeit brauchen. Man muss sich klar machen, dass man in keiner lebensbedrohlichen Situation ist und das, was man fühlt, keine Angst, sondern Nervosität ist. Das erfordert, laufend auf sich zu hören und seine automatischen Reaktionen zu korrigieren. Sobald das eingeübt ist, können sich Körper und Geist entspannen.

So macht sich Redeangst bemerkbar
Redeangst wird auf drei Ebenen deutlich:

  1. auf der körperlichen Ebene
  2. auf der gedanklichen Ebene
  3. auf der Verhaltensebene.

1.) Die körperliche Ebene

Betroffene, die unter Redeangst leiden, fühlen in Redesituationen vor Gruppen eine soziale Bedrohung. Das sympathische System des vegetativen Nervensystems setzt bei Angst vermehrt die Botenstoffe Noradrenalin und Adrenalin frei. Die Reaktions- und Leistungsbereitschaft ist stark erhöht. Der menschliche Körper ist bereit zu kämpfen oder zu fliehen.

Allerdings können wir in sozialen Umgebungen nicht einfach weglaufen oder zuschlagen. Deshalb kann es zu einer Überkonzentration der Botenstoffe kommen, weil sie nicht schnell genug abgebaut werden können, da es zu keinerlei körperlicher Tätigkeit kommt.

Aus diesem Grund reagiert der Körper mit:

  • erhöhtem Puls und Blutdruck
  • Erröten
  • Schwitzen
  • Magen- und Darmbeschwerden
  • Anspannung der Körpermuskulatur
  • Veränderung der Gedächtnis- und Wahrnehmungsfunktionen.

Damit die gesamte Energie für den Abbau des Adrenalins zur Verfügung steht, kommt es zu einer reduzierten Verdauung, nachdem sie zunächst angeregt wurde.

Manche Menschen sind nach einer Rede so stark erschöpft, als wären sie 10.000 Meter gesprintet.

Meistens reagiert im Körper das schwächste Glied in der „Organkette“ mit den stärksten Symptomen.

Jeder von Redeangst Betroffene reagiert auf den Stress individuell und empfindet auch die Symptome unterschiedlich.

Ähnliche aktivierende körperliche Reaktionen gibt es auch in anderen Situationen, die mit Redeangst nichts zu tun haben:

  • bei Fieber
  • bei sexueller Erregung
  • nach sportlicher Betätigung
  • bei Hitze oder Kälte
  • durch die Einnahme von Medikamenten oder Aufputschmitteln
  • Konsum von Kaffee oder Alkohol.

Allein nur die Reaktionen auf der körperlichen Ebene können noch nicht als Angst wahrgenommen werden. Körperliche Symptome werden erst durch bewertende Gedanken zu Symptomen der Angst.

Erst durch eine gedankliche Bewertung kann ein erhöhter Puls ein Anzeichen von Angst sein.

Aber wie sehen diese inneren Kognitionen im Detail aus?

2.) Die gedankliche Ebene

Die Entstehung von Redeangst wird primär durch Gedankenmuster und Eigenbewertungen gesteuert. Die negativen Bewertungen der eigenen Leistung und die Einschätzung, wie man beim Publikum ankommt spielen eine wichtige Rolle für Menschen, die unter Redeangst leiden.

Meistens gibt es folgende Gedankenmuster in den Gehirnen:

  • die Situation wird als unangenehm und bedrohlich bewertet
  • die eigenen Bewältigungsmöglichkeiten werden abgewertet
  • es werden gedankliche Horrorszenarien produziert
  • abwertende Glaubenssätze lenken von der eigentlichen Aufgabe der Präsentation oder des Vortrags ab
  • für das eigene Versagen wird bereits im Vorfeld ein „Drehbuch“ geschrieben.

Alle Bewertungsmuster und Glaubenssätze können

  • vor
  • während oder/und
  • nach Redesituationen auftreten.

Besonders die Antizipationen wirken sich einschränkend auf die Emotionslage des Sprechers aus.

„Sie werden mich zerfetzten.“, „Sie werden mich angreifen und bloßstellen.“, „Alle lachen mich aus.“ usw.

Mit solchen Gedanken wird ein Redner mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht mit einem guten Gefühl vor seine Zuhörer treten können. Und seine Körpersprache wird bei seinem Auftritt dem Publikum verraten, was er über sie denkt.

3.) Die Verhaltensebene

Negative und abwertende Gedanken erzeugen schlechte Gefühle. Diese werden sich natürlich auf das Verhalten eines Menschen auswirken. Das gilt auch bei Redeangt.

Das Sprechverhalten wird sich verändern, wenn die Gefühlslage in den Keller geht.

Folgende äußere Symptome können bei Redeangst beobachtet werden:

Stimme

  • die Stimmlage ist zu hoch
  • die Lautstärke ist zu leise
  • die Sprechmelodie klingt mechanisch
  • die Stimme klingt zittrig

Flüssigkeit der Aussprache

  • unpassende Pausen
  • das Sprechtempo ist schnell
  • die Wortfindung ist verzögert
  • es kann Sprechblockaden geben
  • Versprecher kommen vor

Atmung

  • erhöhte Atemfrequenz
  • der Redner schnappt nach Luft
  • die Atmung findet überwiegend im oberen Brustbereich statt

Mund und Kehle

  • Räuspern
  • häufiges Schlucken

Gesichtsausdruck

  • angespannte Gesichtsmuskulatur
  • starrer Ausdruck
  • kein Augenkontakt zum Publikum

Körperhaltung

  • die Hände zittern
  • Körperstarre
  • angespannte Muskulatur
  • sich wiederholende Bewegungen

Tendenziell kann Redeangst zwei Verhaltensmuster erzeugen. Entweder wird alles schneller gemacht oder es wird alles langsamer gemacht. Anders ausgedrückt: Die Geschwindigkeit von Verhalten nimmt entweder zu oder ab.

In der Stressforschung gibt es für dieses Phänomen folgende Begründung:

In einer Stress erzeugenden Situationen versuchen wir entweder, um jeden Preis die Kontrolle zu behalten oder wir resignieren und lassen die Dinge über uns ergehen (Blöte et al. 2009).

Denken, Fühlen, Verhalten

Auf diesen drei Ebenen kann es bei Redeangst zu Schwierigkeiten kommen.

Finden Sie heraus, auf welcher Ebene sie besonders leiden.

Sie können dann für diese Ebene individuelle Bewältigungsstrategien testen.

Oftmals kann eine Veränderung auf einer Ebene auch zu einer Veränderung auf einer anderen Ebene führen.

Weiterführende Links:

Redeangst
Redeangst überwinden
Meine Erfahrungen mit Redeangst
Mein persönlicher Coach bei Redeangst
Redeangst Therapie
Redeangst Seminar
Coaching bei Redeangst
Extreme Redeangst

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